Höhensiedlungen in der Pfalz
Eine Anhöhe bietet seit jeher einen guten Überblick über die Umgebung. In der Vor- und Frühgeschichte Mitteleuropas, besonders in der Bronze- und Eisenzeit, wurden von den Völkern und Stämmen in den deutschen Mittelgebirgen daher meist Bergkuppen und Plateaus als Siedlungsstandort favorisiert – auch im Pfälzerwald. Als das Römische Reich mehr und mehr die vorherrschende Macht in Europa wurden, veränderte sich die Siedlungsweise jedoch immens: Die fortschrittlichen, mobilen Römer bevorzugten für ihre neu gegründeten Städte und vici (kleinstädtische Siedlungen) verkehrsgünstig gelegene Täler, sodass viele der Höhensiedlungen spätestens im 1. Jahrhundert n. Chr. aufgegeben wurden.
Ab der Mitte des 3. Jahrhunderts, in der Spätantike, vollzog sich allerdings ein erneuter Wandel: Auch die Römer kamen nun auf den Geschmack von Höhensiedlungen. Dabei wurden entweder Orte ehemaliger Siedlungen aufgesucht und wieder bewohnt, oder aber gänzlich neue Standorte besiedelt. Spätrömische Höhensiedlungen sind vielerorts nachgewiesen worden: Von der iberischen Halbinsel über Britannien bis hin zum Balkan waren sie verbreitet – als typisch spätantikes Element erweiterten sie die Vielfalt der römischen Siedlungslandschaft. Dies stellt Forscher vor einige Rätsel, denn die Höhensiedlungen wurden in Inschriften und historischen Quellen kaum erwähnt, folglich ist auch wenig über ihren Nutzen, ihre Bewohner und ihre Erbauer bekannt. Trotz der Vielzahl an nachgewiesenen Siedlungen haben nur an wenigen systematische Ausgrabungen stattgefunden, sodass oft nur die oberirdisch sichtbaren Überreste und wenige Zufallsfunde (z.B. Münzen) etwas über ihre Geschichte verraten.
Die Höhensiedlung auf dem Großen Berg bei Kindsbach
Allgemeines
Die spätrömische Höhensiedlung auf dem Großen Berg liegt südlich der Kaiserstraße zwischen dem Kaiserslauterer Stadtteil Einsiedlerhof und der Ortsgemeinde Kindsbach. Das 1,6 ha große Bergplateau im Pfälzerwald gilt als der einzige einigermaßen erforschte Fundort dieser Art zwischen Rhein und Ardennen. Der Provinzialrömische Archäologe Helmut Bernhard leitete die Ausgrabungen in den 1980er Jahren, ein paar Jahre später fand man zusätzlich ein Brandgräberfeld mit etwa 90 Bestatteten. Die endgültige Auswertung der Ergebnisse dieser Funde steht jedoch noch aus, daher sind noch keine präzisen Aussagen über die Siedlung zu treffen.
Besiedlung und Siedlungscharakter
Es wird vermutet, dass das Plateau erstmals gegen Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. besiedelt wurde – zu diesem Zeitpunkt war die Siedlung wahrscheinlich noch unbefestigt oder nur von einer Einfriedung aus Doppelholzpfosten umrahmt. Es folgte eine Siedlungsunterbrechung, bevor im zweiten Viertel des 4. Jahrhunderts erneut Menschen auf dem Großen Berg wohnten. Die Trockenmauer mit einem dahinter aufgeschütteten Wall sowie einer einfachen Toranlage stellte die jüngste Befestigung der Siedlung dar, sie soll um das Jahr 350 n. Chr. entstanden sein. Vor allem in der Nordhälfte weisen Bearbeitungen des felsigen Buntsandsteinbodens darauf hin, dass eine dichte Bebauung aus Holzgebäuden vorherrschte.
Bei der Höhensiedlung soll es sich eher um eine zivile Gründung ohne besonderen militärischen Charakter gehandelt haben. Die erst in den „unruhigen Zeiten“ Mitte des 4. Jahrhunderts angelegten einfachen Befestigungsanlagen entsprechen nicht der für die Spätantike typische Wehrarchitektur mit stabilen Türmen und Toranlagen. Daher ist davon auszugehen, dass der Bau von Höhensiedlungen nicht direkt von den römischen Herrschern veranlasst wurde. Je nach Größe hatten sie wohl verschiedene Funktionen, zum Beispiel kann der Standort aufgrund der Verfügbarkeit eines bestimmten Rohstoffs gewählt worden sein oder aber als „Kleinfestung“ eines lokalen Großgrundbesitzers gedient haben.
Fundstücke
Das üppige Fundmaterial, das sich in der sogenannten „Kulturschicht“ durch die dort lebenden Bewohner über dem Felsboden angesammelt hatte, beweist die dauerhafte Besiedlung des Standorts und beinhaltet insbesondere Keramik, aber auch Glas, Buntmetall- und Eisengegenstände (Haarnadeln, Werkzeuge, eine kleine Glocke, Wagenbestandteile). Zudem wurden Buntmetall- und Eisenbarren gefunden, die darauf hinweisen, dass in der Siedlung Metallhandwerk betrieben wurde. Den einzigen Waffenfund stellt ein abgebrochenes Stück einer Lanzenspitze dar.
Die gefundenen Münzen stellten einen wichtigen Anhaltspunkt für die Datierung der Besiedlung dar, da sich aufgrund der Prägung verschiedener römischer Kaiser auf den Münzen relativ genaue Aussagen über ihren Ursprung treffen lassen. Der Großteil der Münzen entstammt der Herrschaftszeit des Kaisers Constantinus I. und seiner Söhne.
Mutmaßliche Zerstörung und Aufgabe der Siedlung
Da die jüngsten Münzen aus der Zeit 350-353 n. Chr. stammen und zudem einige Brandspuren auf dem Plateau erkannt wurden, vermutet der Archäologe Helmut Bernhard, dass die Höhensiedlung nach dem Jahr 352/353 gewaltsam zerstört und schließlich aufgegeben wurde. Andere Höhensiedlungen in der Pfalz, zum Beispiel die „Heidenburg“ bei Kreimbach-Kaulbach im Lautertal oder dem „Lemberg“ (Landkreis Pirmasens) könnten bis in das 5. Jahrhundert hinaus Bestand gehabt haben.
Keramische Funde deuten darauf hin, dass einige der Höhensiedlungen, auch der Große Berg, auch nach dem Niedergang des Römischen Reiches im Frühmittelalter erneut bewohnt wurden. Im 7. Jahrhundert soll es auf den Bergkuppen und Gipfeln des Pfälzerwaldes zur Errichtung einiger neuer Wallanlagen gekommen sein, deren Geschichte bisher jedoch nur gering erforscht ist. An vielen ehemaligen römischen Standorten erheben sich aber auch heute noch mittelalterliche Wehrbauten, zum Beispiel die Burg Trifels bei Annweiler.